Il était une fois ...
PARIS
Es war einmal ...
... so fangen Märchen an: Geschichten von wundersamen Begebenheiten und Begegnungen aus längst vergangener Zeit; mit Fabelwesen, die es nur in der eigenen Phantasie gibt; an Orten, die unwirklich sind, die einem aber – bei guten Märchen – real vorkommen; mit Handlungen, die sich meist zum Guten wenden. Paris, Traumstadt, hatte sich während der Lockdowns gefühlt in solch einen Märchenort verwandelt, war unerreichbar.Paris si loin
Im April 2020, mitten im 1. Lockdown, habe ich diese Bilder zum ersten Mal veröffentlicht; Bilder, die ich nie einem Publikum zeigen wollte, weil meine Straßenfotografie eigentlich nur mir gehört. Eigentlich – denn die Corona-Pandemie hatte alles von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt; alles fiel aus. Ich nutzte die gewonnene Zeit, etwas Ordnung in mein Privatarchiv zu bringen. Dabei entstand die Idee, mein Netzwerk virtuell nach Paris zu entführen, den Betrachtern für ein paar Minuten das Abtauchen in Europas schönste Metropole zu ermöglichen, sie für einen Augen-Blick zurück in die Normalität zu bringen, ihnen den Mund wässrig zu machen für bessere Zeiten, die da garantiert kommen würden.Die Resonanz war überwältigend: Nach sechs Wochen Lockdown erschien den meisten die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit, die meine Bilder ausstrahlten, ein Stück weit surreal und sie waren dankbar für die Auszeit, ein kurzes Zurückdrehen der Uhr auf vor Corona. Ein jeder hegte die Hoffnung, dass Reisen im Herbst wieder möglich wäre.
Es kam, wie Sie wissen, anders. Was damals noch greifbar am Horizont schien, lag ein Jahr später, im zweiten Lockdown, in noch weiterer Ferne: Normalität von Straßencafés? Essen gehen in eng bestuhlten Pariser Bistros? Fahrten in der vollbesetzten Métro? Undenkbar! Eine Reise nach Paris, von Bonn so weit wie Hamburg, München oder Berlin, erschien im April 2021 beinahe so unmöglich, wie ein Flug zum Mond.
La promenade
Am 29. Mai 2021, zum Ende des Lockdowns, hatte ich zu einem Kunstspaziergang eingeladen, ein Stückchen Paris am Rheinufer in Bonn zu genießen. Zwischen dem Treppenaufgang Tempelstraße und dem Alten Wasserwerk hatte ich alle 40 Werke dieser Serie präsentiert. Ein zwanzigminütiger Spaziergang mit Blick auf das herrliche Siebengebirgs-Panorama, vorbei am alten Bundestag, der Skulptur "L´Allumé" von Mark di Suvero und dem neuen UN-Hochhaus sollte Freude bereiten und eine Extraportion Zuversicht geben.Die Freude war von kurzer Dauer: Keine 48 Stunden nach Hängung wurde knapp die Hälfte der Bilder mit roher Gewalt heruntergerissen. Anders als die Arbeiten die verblieben sind, zeigten diese 19 Fotografien Personen mit dunkler Hautfarbe, nichtchristlicher Religion oder vermeintlich gleichgeschlechtlicher Orientierung. Wenn man als Künstler Bilder in den öffentlichen Raum hängt, muss man wohl (leider!) damit rechnen, dass das eine oder andere einen Liebhaber findet, der es nicht kaufen möchte, oder dass jemand ein Bild 'verschönert'. Darauf hatte ich mich vorbereitet. Nicht jedoch auf das, was kam.
Denn die Tat war keine blinde Zerstörungswut, kein Frust ablassen, sie war eine rassistische Botschaft: „Wir wollen hier keine Minderheiten sehen!“ Damit war es kein Angriff auf meine Ausstellung, sondern ein Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft, auf die Bonner Stadtgesellschaft. Plötzlich traf mich ein Thema, das ich bislang nur aus den Medien kannte, persönlich, hautnah, mit Wucht.
Indem die Täter die Bilder sehr bewusst selektiert haben, haben sie mir zugleich ihre offensichtlich fremdenfeindliche Sichtweise aufgezwungen: Ich musste zur Schadensbeurteilung prüfen, ob sich aus den fehlenden Werken eventuell ein Muster ergibt. Dies zeigt sich tatsächlich, wenn man nicht bloß die jeweilige Szene sieht, sondern die Abgebildeten kategorisiert. Mir haben sie damit die Unschuld meiner Bilder genommen.
Um Ihnen die Perfidität dieser Tat zu verdeutlichen: Der oder die Täter haben sich nicht nur die Mühe gemacht, die gesamten 1,2 km des Kunstspaziergangs abzulaufen, der oder die Täter haben die Bilder sorgfältig ausgewählt, um ihre Botschaft unmissverständlich zu machen: Bei einem der zerstörten Bilder, es zeigt eine Weiße Frau in der Metro, war ich mir sicher, dass es nicht den scheinbaren 'Auswahlkriterien' entsprach. Erst der Staatsschutz machte mich auf ein eigentlich unwesentliches Bilddetail aufmerksam: Eine Hand, die sich am Haltegriff neben der Dame festhält, ist Schwarz. Nein, das ist nicht das Auge für Details, das sich der Künstler bei seinem Publikum wünscht.
Der Verlust an Zeit – allein in die Vorbereitung dieser Ausstellung sind weit über 100 Stunden geflossen – und Geld ist, trotz schwieriger Zeiten, zu verkraften. Der Verlust an Toleranz und Diskurs einer Gesellschaft, ist es nicht. Daher: Setzen Sie Stoppsignale, wo immer nötig. Und machen Sie den Erfolg des oder der Täter zunichte, indem Sie diese Website teilen.
Der Kunstspaziergang war trotz der Zerstörung noch bis Mitte Juni an der Rheinpromenade zu sehen; an die Plätze der fehlenden Bilder hatte ich ein Plakat mit diesem Statement gehängt.
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Der Bonner General-Anzeiger, die WDR Lokalzeit sowie die SAT.1-Nachrichten hatten berichtet.
Au musée
Aktuell | Vom 24. bis 28. August ist die Ausstellung "Es war einmal ... Paris" im Kunstmuseum Bonn erstmals wieder in ihrer Gesamtheit zu sehen; an einzelnen wiedergefundenen Bildern zeigt sich das Ausmaß der Gewalt. Am Mittwoch (24.) um 18.00 Uhr und am Sonntag (28.) um 11.00 Uhr stelle ich dort im Rahmen einer Werkstattlesung bislang unveröffentlichte Kurzgeschichten zu einzelnen Bildern vor. Im Rahmen der Berichterstattung über die Tat und in vielen Gesprächen darüber musste ich immer wieder die rassistische Sichtweise der Täter erläutern. Nach einiger Zeit war es mir kaum noch möglich, in meinen Arbeiten die Gesamtszenen, die ich festgehalten hatte, zu sehen – die abgebildeten Personen und ihre Kategorisierung schoben sich immer mehr in den Vordergrund. Um mir meine Unschuld bezüglich meiner Bilder zurückzuerobern, begann ich, mich – unabhängig davon, wer sie tatsächlich waren – fiktional mit den von mir Fotografierten zu beschäftigen: Wer könnten sie sein? Was machten sie gerade, wohin waren sie unterwegs? Was sagten oder dachten sie? Was erfreute oder bedrückte sie? Wie lautete ihre Geschichte? Aus diesen Überlegungen entwickelte ich in Folge Kurzgeschichten zu den jeweiligen Bildern; diese stelle ich im Kunstmuseum Bonn erstmals vor. Im weiteren Verlauf soll daraus ein Buch entstehen. Vous êtes bienvenus!Previous Next
Changement de perception
Eines an diesem Projekt hat mich selbst überrascht: Unsere Wahrnehmung dieser Bilder hat sich im Laufe der Pandemie gewandelt. Sie wurden zum Gradmesser, wie Corona die eigene Situation und (Zukunfts-)Perspektive veränderte:- Vor dem ersten Lockdown erzählten sie von der Lebensbuntheit einer märchenhaften Stadt, mitten in Europa, gerade einmal fünf Zugstunden entfernt – man musste nur einsteigen.
- Im ersten Lockdown gaben sie, bei aller Irritation, Hoffnung, dass diese Normalität bald zurückkehren würde – man musste nur abwarten.
- Im zweiten Lockdown erschienen sie unwirklich, wie aus einer anderen Zeit. Sie erinnerten an etwas, das man kannte, dessen Wiederkehr jedoch in weiter Ferne schien – man musste wohl an Wunder glauben.
- Jetzt, im Sommer 2022, erscheint eine Reise nach Paris wieder völlig normal – man muss lediglich Zeit & Geld dafür haben.
L'édition
Zu dieser Werkreihe gibt es zwei attraktive Editionen:- Freundeskreis-Edition |Format 20 cm x 30 cm | Fotoabzug auf Fuji DP II Professional Lustre Paper | Auflage 25 + 2 Ex. | nummeriert, signiert.
- Sammler-Edition | Format 28 cm x 42 cm | Fineart Print auf Hahnemühle PhotoRag 308 g | Auflage 15 + 2 Ex. | nummeriert, signiert mit Zertifikat.
Aktuell: Anlässlich der Ausstellung im Bonner Kunstmuseum profitieren Sie bis 30. September 2022 von einem attraktiven Subskriptionsrabatt – gern sende ich Ihnen die Preisliste.
Le livre
Ein Fotoband mit Kurzgeschichten zu einzelnen Bildern dieser Serie ist in Vorbereitung. Demnächst mehr – lassen Sie sich überraschen! * Ein Teil dieser Arbeiten entstand tatsächlich Ende Februar 2020, kurz vor Ausbruch der Pandemie in Europa.
Mögen Sie zeitgenössische Fotokunst?
Entdecken Sie hier meine Werkreihe
Gegenbilder .
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